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Feuer auf La Palma: Zündeln mit Nachrichten

Sieht so ein völlig zerstörtes Dorf aus? Nicht wirklich. Dafür sehen die Häuser und auch viele Gärten zwischen den schwarzen Flächen irgendwie zu intakt aus. In Fuencaliente auf La Palma sind sie froh, dass ihr Ort noch steht, wenn auch arg mitgenommen. Doch er ist nicht, wie in deutschen Medien zu lesen war, bei dem Waldbrand der letzten Woche in Rauch aufgegangen. Es mussten hier auch nicht 4.000 Einwohner evakuiert werden – der Ort hat nur 1.900.

Es war wieder mal Sommerloch, es musste mit heißer Nadel gestrickt werden, und es mag auch mühsam sein, direkt auf der Insel zu recherchieren. Also griffen die diensthabenden Kollegen nach den Nachrichtenagenturen und riefen schnell die TUI an, um die die üblichen Katastrophenfragen zu stellen: Sind Deutsche betroffen? Kann man seine Buchung stornieren? Gibt’s Entschädigung?


Jetzt müssen die Palmeros mit zwei schlimmen Ereignissen fertig werden. Dem Brand. Und der Nachrichtenasche, die über Deutschland niederging. Die ist womöglich schlimmer als das Feuer selbst – wenn nämlich nun noch Gäste wegbleiben sollten.


Was wann und wo passierte, kann man auf La Palma aktuell nachlesen.. Wieviele Häuser es erwischte, wie hoch der Schaden in den Weinbergen ist – und wie die Einwohner von Fuencaliente es schafften, die meisten ihrer Häuser zu retten.
Das kann auch Karin Pflieger berichten. Die Hamburgerin vermittelt mit ihrer Agentur La Palma Turismo Rural seit vielen Jahren Ferienhäuser auf der Insel. Wenn man auf La Palma überhaupt von einer Tourismusindustrie sprechen will, dann sieht sie völlig anders aus als auf den Nachbarinseln Teneriffa und Gran Canaria (oder das was als Tourismusindustrie durch die Köpfe spukt): Keine endlosen urbanisaciones mit Hotels, Resorts, Spaßmeilen. Kein Massentourismus. Auf La Palma haben einige hundert Besitzer alter Häuser diese zu Ferienhäusern ausgebaut. Von der einfachen ehemaligen Landarbeiter-Kate bis hin zur Luxus-Finca mit Pool.


Diese Häuser liegen über die Insel verstreut. Sehr dezentral, keine Siedlungen, keine Tourismusghettos. Meist wohnen die Besitzer der Häuser, die viel Geld und noch mehr Eigenarbeit hineingesteckt haben, gleich in der Nähe.


Als in der Nacht zum Samstag die Flammen hochschlugen, schickten die Männer von Fuencaliente ihre Frauen und Kinder samt Haus- und Kleintieren hinunter an die Küste. In Sicherheit. Sie selbst blieben bei ihren Häusern und verteidigten sie gegen die Flammen. Mit Schläuchen, mit Wassertonnen, mit Tricks und – wer dort aufgewachsen ist und lebt, weiß wie man ein Feuer bekämpft. So kommt das Bild oben zustande: Verbrannte Flächen, gerettete Häuser.


Nur einen herben Verlust gibt es zu beklagen. Casa und Casona Melindros. Ein besonderes Schmuckstück unter den Ferienhäusern. Lourdes und Cristóbal, die Besitzer, hatten keine Chance, weil sie in Mazo wohnen, 20 Kilometer entfernt. Doch sie wollen es wieder aufbauen.

2000, 3000, gar 4000 Hektar Natur sollen auch „zerstört“ sein. Im Naturschutzgebiet“! Mich wundert immer wieder, wie penetrant diese Formel von der Zerstörung bei solchen Ergeignissen stets aufs Neue heruntergebetet wird. Obwohl man es längst besser wissen kann. Die Kanarischen Inseln können im Sommer extrem trocken sein, die Wahrscheinlichkeit, dass es dort brennt ist hoch – und die Natur ist daran angepasst. Kanarische Botaniker können einem genau die Feuerökologie ihrer Pflanzenwelt erklären. Es ist eine Art schöpferische Zerstörung.
Paradebeispiel: die Kanarische Kiefer. Kein Feuer kann einen gesunden Baum dieser nur auf den Kanaren vorkommenden Art zerstören. Ihre Rinde ist bis zu zehn Zentimeter dick. Spätestens zwei Jahre nach dem Brand treibt der Baum wieder grün aus. Meist sogar schon nach dem nächsten Regen. Das sieht dann so aus:


Aufgenommen im Oktober 2005


Aufgenommen im Juli 2007

Also alles halb so schlimm? Nicht ganz. Etliche Familien hat es hart getroffen. Aber es würde es alles noch viel schlimmer machen, wenn man La Palma jetzt zum Katastrophengebiet erklären würde – das es eindeutig nicht ist.

Dank an Mathias Siebold und Karin Pflieger


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